Einblicke in Geschichte und Gegenwart Kameruns: Hemley Boum – Die Tage kommen und gehen

Die Wurzeln der Schriftstellerin Hemley Boum liegen in Kamerun, wo sie geboren wurde und die Schulzeit verbrachte. Heute lebt sie in Frankreich. Studiert hat sie an katholischen Universitäten in beiden Ländern. Ihr neuer Roman greift auf diese Biographie zurück, die Handlung ist angesiedelt sowohl in Kamerun als auch in Frankreich und Religion spielt darin eine wichtige Rolle -sowohl der Katholizismus als auch der Islam.

Hemley Boum © Notaboo

In „Die Tage kommen und gehen“ erzählt sie eine Geschichte von drei Frauengenerationen. Da ist zum einen Anna, die am Anfang des Romans auf der Palliativstation eines Pariser Krankenhauses liegt und auf ihr sehr bewegtes Leben zurückblickt. Dieses Leben begann in Kamerun, als das Land noch eine Kolonie war. Ein hartes Leben mit vielen Entbehrungen, als Tochter einer alleinerziehenden Bäuerin auf dem Land. Doch Anna besucht die Missionsschule, zeigt Begabung und wird von einer Nonne gefördert, so dass sie es bis zur Uni schafft und als gebildete Frau in die Elite hineinheiratet. Die Ehe läuft nicht gut, ihr Mann betrügt sie und sie trennt sich von ihm, um wie ihre Mutter vor ihr, ihre Tochter Abi allein zu erziehen.

Abi ist unter ganz anderen Bedingungen in einem unabhängigen Kamerun aufgewachsen. Ihre Mutter gebildet, ihr Vater reich. Irgendwann geht sie nach Frankreich, studiert, arbeitet als Kulturredakteurin für ein angesagtes Blatt, heiratet Julien, einen weißen Franzosen, bekommt einen Sohn, Max, und lebt das privilegierte – aber etwas langweilige -Leben der Mittelschicht. Spannung bringt eine Affäre, die sie mit einem angesagten Künstler beginnt, über den sie ein Porträt schreibt. Als die Affäre auffliegt, verlässt Julien sie, worunter Max, inzwischen Teenager, sehr leidet. In der Schule wird er auffällig, hängt mit den falschen Leuten ab, nimmt Drogen, so dass Abi ihn nach Kamerun zu ihrer Mutter schickt, damit er dort das Schuljahr beendet.

Für Max ist Kamerun kein fremder Ort, denn schon als kleines Kind hat er oft mit seinen Eltern die Ferien dort verbracht und Freundschaften fürs Leben geschlossen -mit Ismael, Tina und Jenny, Kinder aus der Nachbarschaft seiner Oma. So ist Kamerun für ihn die Rettung und er schließt die Schule erfolgreich ab. Als er am Ende des Schuljahres zurück nach Paris kehrt, bricht jedoch ein großes Unheil ein.

Damit geht die Erzählung über auf Tina aus der dritten Frauengeneration, und ab dann verliert der Roman für mich etwas an Stringenz. Abis Geschichte bricht komplett ab. Nun erfahren die Leser*innen durch Tinas Erzählung, wie sich Ismael und Jenny radikalisieren und sich alle drei der islamischen Terrororganisation Boko Haram anschließen. Wir erfahren von den Gräueltaten dieser Organisation, die ihr Unwesen nicht nur in Nigeria treibt, sondern es auch in die Nachbarstaaten wie z.B. in den Norden Kameruns verlegt hat. In diesem letzten Drittel des Buchs sinniert die Autorin viel über Politik, Krieg, Religion. Sie gibt eine Einführung in die Geschichte Kameruns seit der Unabhängigkeit, beschreibt die Entstehung der Korruption und prangert die wachsende Gier der herrschenden Klasse an, die sich wenig um das Volk kümmert. Aber vor allem gibt sie Einblicke in den Modus Operandi von Boko Haram.

 

Am Ende wird von Boko Haram ein Attentat auf einen belebten Markt im Norden des Landes verübt. Junge Frauen, darunter Jenny, werden als lebende Bomben in die Menge geschickt. Neben Ismael und Jenny kommen hunderte weitere Menschen ums Leben. Kurze Zeit später sterben weitere dreihundert bei einem Attentat weiter nördlich an der Grenze zum Tschad.

In jedem Land der Welt hätte eine solche Tragödie die bestehende Regierung mindestens in Misskredit gebracht. Bei uns verloren all diese Menschen ihr Leben, ohne dass es mehr als dürftige Artikel in der Presse und ein Aufheulen in den sozialen Netzwerken zur Folge hatte“, schreibt Hemley Boum über die Gleichgültigkeit nicht nur der eigenen Eliten, sondern auch der Weltgemeinschaft. Denn: Fast zeitgleich findet auch in Paris ein Attentat statt. Die Welt trauert um die Journalisten von Charlie Hebdo. „Wir betrauerten sowohl Jenny als auch Charlie, aber warum waren wir so allein, als wir um unsere Lieben weinten“, fragt Anna und spricht damit die große Kritik auch an den Ländern des globalen Nordens aus.

Der Roman endet mit einem Epilog, der Raum für Hoffnung lässt. Vielleicht werden Max und Tina, die junge Generation, es schaffen eine bessere Gesellschaft aufzubauen.

 

(ado/02.12.21)

 

Hemley Boum: Die Tage kommen und gehen, Peter Hammer Verlag 2021, 376 Seiten, €  26,00, ISBN: 978-3-7795-0669-0

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