Bei der Umbenennung von Berlin-Neuköllns Wissmannstraße in Lucy-Lameck-Straße forderten Tansanias Botschafter Abdallah Saleh Possy und der tansanische Menschenrechtsaktivist Mnyaka Sururu Mboro die Umbenennung der noch bestehenden Wissmannstraßen in der Bundesrepublik zu Ehren ostafrikanischer Widerstandskämpfer:innen
Während der feierlichen Umbenennung der Wissmannstraße in Berlin-Neukölln am 23.04.21, haben die tansanischen Gäste, S.E. Dr. Abdallah Saleh Possi, und der in Deutschland lebende Menschenrechtsaktivist Mnyaka Sururu Mboro von Berlin Postkolonial zur weiteren Dekolonisierung des öffentlichen Raums und des gesellschaftlichen Bewusstseins in Deutschland aufgerufen. Die Straße ehrte seit 1890 den für Kriegs- und Kolonialverbrechen verantwortlichen ehemaligen Reichskommissar und Gouverneur von „Deutsch-Ostafrika“ Hermann von Wissmann (1853-1905).
Botschafter Possi begrüßte die seit 2005 aktive Initiative der Zivilgesellschaft zur Umbenennung der Neuköllner Wissmannstraße und die folgende Entscheidung des Bezirkes Berlin-Neukölln, anstelle des Kolonial- und Kriegsverbrechers Hermann von Wissmann die tansanische Unabhängigkeitskämpferin Lucy Lameck (1934-1993) zu ehren. Freundschaft zwischen zwei Ländern, so Possi, setze voraus, dass auch offen über die dunklen Seiten der gemeinsamen Geschichte gesprochen und historische Verantwortung für Verbrechen übernommen werden müsse. Der Botschafter betonte, dass das ein Prozess sei, der gerade erst begonnen hätte und verwies beispielhaft auf die Wissmannstraßen in Köln, Hamburg, München und Düsseldorf, die ebenfalls umbenannt werden sollten.
Mnyaka Sururu Mboro, Vorstandssprecher von Berlin Postkolonial e.V., der sich wie kein zweiter über Jahre hinweg für die Umbenennung in Neukölln eingesetzt hatte, erinnerte daran, dass in Hamburg-Jenfeld von der Bundeswehrhochschule sogar noch die im Nationalsozialismus errichtete Lettow-Vorbeck-Kaserne genutzt werden würde, die aus einzelnen Häusern bestünde, welche die „Schutztruppen-Kommandeure“ in „Deutsch-Ostafrika“ mit großen Fassaden-Porträts und Namen glorifizierten. So gäbe es dort ungeachtet der jahrelangen zivilgesellschaftlichen Kritik sogar ein „Wissmann-Haus“ und ein „Trotha-Haus“, in dem bis heute zukünftige Soldaten und Offiziere untergebracht wären.
Mboro forderte Deutschland zu einem energischeren Handeln gegen Kolonialpropaganda im öffentlichen Raum und zu einer regierungsseitigen Bitte um Entschuldigung bei den Nachfahren der Kolonisierten auf.
Auch in NRW finden sich noch immer Wissmannstraßen (auch in der Schreibweise Wißmannstraße) u.a. in der Landeshauptstadt Düsseldorf sowie in Köln, Oberhausen, Bottrop und Solingen. Postkoloniale Gruppen fordern auch hier eine Umbenennung dieser Straßen und eine kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands. (26.04.21)