Seit 2015 führt das Forum für Soziale Innovation, FSI, das Projekt „Faire Moschee NRW“ durch, gefördert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW und von Engagement Global. Ziel des Projekts ist die Sensibilisierung und Aktivierung von muslimischen Gemeinden, Vereinen und Engagierten in NRW für Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, fairer Handel, gerechter Konsum und soziale Nachhaltigkeit. Redouan Aoulad-Ali leitet seit kurzem das Projekt beim FSI und erklärt hier kurz, worum es bei der „Fairen Moschee“ konkret geht.
Aus welchen Beweggründen ist das Projekt „Faire Moschee“ entstanden und welche Rolle spielen die SDGs der Agenda 2030 dabei?
Ich bin erst ganz neu als Leiter des Projekts dabei, war aber als Mitbegründer von Hima e.V. von Anfang an als Begleiter involviert. Angelehnt an die Geschichte der Eine-Welt-Arbeit in Deutschland, die ihre Wurzeln in der diakonischen kirchlichen Arbeit hat, habe ich das Projekt als eine ähnliche „Bewegung“ verstanden. In dieser Bewegung der „Fairen Moschee“ vernetzen sich seit einigen Jahren immer mehr Akteure aus Kommunen, Kirchen & Moscheen und aus der Zivilgesellschaft, um muslimische Vereine dabei zu unterstützen, Eine-Welt-Themen im Vereins- und Gemeindeleben zu verankern.
Wie gehen Sie dabei vor?
Der Prophet Mohammed sagt: “Der nützlichste Mensch ist der, der den anderen Menschen von Nutzen ist.” [Quelle: Bukhari] Wir haben in Kooperation mit Wali-Aktiv e.V., .unserer Pilot-Moscheegemeinde, ein innovatives Konzept ausgearbeitet. Moscheen werden getreu ihrem Glauben und ihrer Lebenswirklichkeit durch einen Inklusiven-Ansatz über die Religion dazu animiert zu den Zielen der Agenda 2030 einen Beitrag zu leisten. Das beziehen wir nicht nur auf die jeweils einzelnen Mitglieder, sondern wir betrachten die Moschee als zentralen Ort der Begegnung und Interaktion von Menschen. Somit haben wir das islamisch fundiert als Aufgabe der Moschee formuliert, eine Plattform zu bieten, in der man für seine Umgebung eine Hilfe sein kann.
Wie eindeutig ist der Islam in Bezug auf das Thema „Nachhaltigkeit“?
Die Grundlagen für die Beziehung zwischen Mensch und Natur finden sich im Koran und in den Überlieferungen des Propheten. Hierbei sind elementare Begriffe der islamischen Jurisprudenz anzuführen wie z.B. Fitra, die Schöpfung Gottes, die es zu bewahren gilt oder der Tauhid (Einheitlichkeit), die Einheit der Schöpfung, in der alle Dinge in Beziehung zueinander stehen sowie auch der Mizan (Waage halten), das Gleichgewicht der Schöpfung, das einen perfekten Zustand darstellt und deshalb wiederhergestellt werden muss beziehungsweise nicht zerstört werden darf. Die Khilafa (Sachwalter/Statthalter) definiert die Rolle des Menschen als Sachwalter von Gottes Schöpfung und letztlich auch die Amana (anvertrautes Gut): die Verantwortung für die Erde, die zur Erfüllung der Khilafa notwendig ist.
Bisher gibt es wenig Austausch zwischen der Eine Welt Szene und muslimischen Gemeinden. Wie sieht es bei der Fairen Moschee in Punkto „interkulturelle Öffnung aus?
In der Tat gibt es bisher keine ausgeprägten Beziehungen und keinen Austausch zwischen muslimischen Gemeinden/Vereinen und Akteure der Eine-Welt-Arbeit. Die Akteure sind aneinander interessiert, jedoch mangelt es scheinbar an Anlässen für eine gemeinsame Zusammenarbeit und an einer „Initiierung und Steuerung“ in der Art, dass Kontakte hergestellt, gemeinsame Treffen vereinbart und Beziehungen dauerhaft aufrechterhalten werden. Das wollen wir jedoch ändern.
Können Sie kurz sagen, wie das geschehen soll?
Es sollen Verbindungen zum Eine-Welt-Laden-Netzwerk und damit verbunden interreligiöse Gespräche mit Kirchen geführt werden. Außerdem sollen Moscheegemeinden weiter dazu ermutigt und unterstützt werden, ihrer Verantwortung als soziale Einrichtung gerecht zu werden. Es bedarf oft nur eines Impulses und einer verstetigenden Begleitung.
Wie sehen die nächsten Schritte aus? Welche Ideen gibt es bereits?
Es gibt noch viel Informations- und Sensibilisierungsbedarf in den muslimischen Gemeinden rund um die Themen: SDGs, Fairer Handel, Konsum etc. Die aktuelle Flüchtlingssituation hat den engen globalen Zusammenhang von Klimawandel – Flucht – Konsum etc. verdeutlicht. Als Nächstes möchten wir Kommunen noch stärker als bisher mit einbeziehen. Wir wollen Kommunalvertreterinnen aufmerksam machen auf die vielfältigen Möglichkeiten, durch das „Faire Moschee“-Konzept ins Gespräch zu kommen. Durch persönliche Kontakte mit unseren Moscheebegleitern vor Ort können wir weitreichende Synergieeffekte einleiten. Außerdem suchen wir ständig weitere lokale Akteure um das „Faire Moschee“-Netzwerk zu stärken und zu erweitern.
Von Christian Wulff stammt der viel zitierte Satz: Der Islam gehört zu Deutschland. Empfinden Moschee-Gemeinden das deiner Meinung nach auch so?
Es ist sicherlich einiges passiert auf dem Weg vom „Gastarbeiterstatus“ in der Vergangenheit, aus denen die Gründungen der meisten Moscheevereine stammen, hin zur allseits akzeptierten plural gelebten Wirklichkeit, in die der Islam als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft verstanden wird. Wir haben aber noch einen Prozess vor uns in dem wir uns gegenseitig annähern müssen. Denn bei den größten Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawandel und gerechtere Sozialverhältnisse für alle können nur gemeinsame Lösungen helfen. Spätestens jetzt sollte auch der Letzte verstanden haben, dass wir alle in einem Boot sitzen und keine zweite Erde zur Verfügung haben.
Welche Rolle spielt der Diaspora-Gedanke in Moscheegemeinden?
Dieser spielt noch eine Rolle, aber wir können beobachten, dass sich das auch zunehmend ändert und sich stattdessen ein neues Selbstverständnis etabliert. Moscheegemeinden sind äußert heterogen und sind bzw. waren nach Ursprungsethnien und Ursprungskulturen unterteilt. Aber auch hier beobachten wir eine zunehmende Diversität, eine neue Kultur der Pluralität.