Der Traum vom Glück: „Borga“, ab 28.10. im Kino

Die eröffnenden Szenen erinnern an einen anderen Film aus Ghana. Rauch steigt auf, hier und da ein Brandherd, man sieht Flammen, hört Hämmern, blickt auf jede Menge Elektroschrott und Kinder, die in dieser Hölle arbeiten. „Welcome to Sodom“ heißt ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 2018. Darin porträtieren Florian Weigensamer und Christian Krönes Agbloboshie, ein Slum in der Hauptstadt Ghanas und größte Elektroschrotthalde der Welt. Hier, in Agbloboshi, an diesem sehr realen Ort beginnt auch die fiktive Geschichte von Borga.

Die Brüder Kofi und Kojo wachsen in diesem berüchtigten Viertel auf. Wie fast alle Menschen in Agbloboshie lebt die Familie vom Elektroschrott. Der Vater der Jungs verdient seinen Unterhalt durch das Ausschlachten von Altgeräten. Der ältere Sohn, Kofi, ist auch schon im Geschäft. Dem jüngeren, Kojo, verbietet der Vater hier zu arbeiten. Er soll zur Schule gehen, eine Ausbildung machen, es später besser haben und dieser Hölle entkommen.

Doch Kojo ist schon längst auch schon im Geschäft. Mit seinen Kumpels verdient er sich etwas Geld, indem auch er Altgeräte verbrennt, um an die noch verwertbaren Metalle zu kommen. Und träumt dabei von einem Leben in Europa. Als eines Tages ein Borga* – ein ehemaliger Bewohner des Stadtteils, der es in Europa zu vermeintlichem Wohlstand gebracht hat, in der Siedlung auftaucht, erscheint der Traum greifbar zu sein. Beeindruckt beobachten Kojo und seine Freunde, wie der Borga sich in einer Bar amüsiert, wie er Geld, von dem er scheinbar unendlich viel hat, ohne mit der Wimper zu zucken ausgibt. Ja, ein solcher Borga wollen die Jungs auch eines Tages werden. Während manche sich mit dem Traum begnügen, macht sich Kojo tatsächlich eines Tages auf den Weg nach Europa.
Wie er es schafft, erzählt der Film nicht. Doch als illegaler Migrant landet er in Mannheim – ohne jegliche Perspektive. In einem Afroshop trifft er eines Tages einen Mann, der ihm „Hilfe“ anbietet. Zu unwürdigen Bedingungen beginnt Kojo für ihn zu arbeiten: Sperrmüll einsammeln, Altgeräte für die Verschiffung nach Ghana aufbereiten. Doch dabei bleibt es nicht. Das Geschäft mit dem Elektroschrott ist lukrativ, doch noch lukrativer ist der Drogenhandel. Bald avanciert Kojo zum Drogenkurier, handelt sich besser Konditionen ein und kehrt als Borga nach Ghana zurück. Er hat nun Geld und Ansehen, doch die Familie gibt es nicht mehr. Das Haus, dass er für seine Eltern baut, wird der Vater nie beziehen. Er ist gestorben. Und längst ist auch schon die nächste Generation unterwegs nach Europa– um sich ebenfalls den großen Traum vom Borga zu erfüllen.

Dieser Film zeigt die Bilder zu den Begriffen Wirtschaftsflucht und  Fluchtursachen. Wie die Wirklichkeit in einem Slum aussieht, wovon die Menschen träumen, und warum der gefährliche Weg nach Europa oft die einzige Möglichkeit scheint, dem Glück ein wenig näher zu kommen. Interessant ist, dass die Figuren in ihren Sprachen agieren und die Dialoge im Film nicht synchronisiert sind. So hört man Deutsch, Englisch, Twi, Französisch, was eine zusätzliche Authentizität vermittelt.

*In Deutschland kamen die ersten Ghanaer als Schiffsleute in Hamburg an. Dort lebt bis heute die größte ghanaische Community. Das Wort Borga bezeichnete zuerst Ghanaer aus Hamburg, heute wird es für Ghanaer aus ganz Europa verwendet.

Regie: York-Fabian Raabe. Mit: Eugene Boateng, Christiane Paul, Thelma Buabeng,

Ibrahima Sanogo, Prince Kuhlmann, Jerry Kwarteng, Helgi Schmid

Kinostart: 28. Oktober 2021

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(ado/27.10.21)

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