“Just do it!” Wie ein Dorf in Uganda eine Schule bekam und den Anschluss an fließendes Wasser dazu.

Ein Gespräch mit Dr. Justine Magambo

Dr. Justine Magambo

SDG4 hat das Ziel, bis 2030 Bildung für alle zu ermöglichen. Du bist Lehrerin in Köln, das heißt, du kümmerst dich von Berufs wegen um Bildung. Du bist aber nicht nur Lehrerin, sondern hast beschlossen, selbst eine Schule zu bauen. Wie kam es dazu?

Ja, ich bin Lehrerin und habe zuerst in Uganda in diesem Beruf gearbeitet. Später habe ich mich in Deutschland weiterqualifiziert und an Schulen und Universitäten in beiden Ländern unterrichtet.

Meine Motivation etwas im Bereich Bildung zu machen, rührt aus dem Jahr 2001, als ich im ländlichen Uganda zu sozialpsychologischen Einflüssen auf Bildung geforscht habe. Schon als Studentin wusste ich, dass ich etwas zur Bildung in Uganda beitragen wollte, doch eine Schule zu bauen war definitiv jenseits meiner Vorstellungskraft. Das wird von großen Organisationen, Regierungen oder reichen Philanthropen übernommen, was ich ganz sicher nicht bin. Im Jahr 2012 sprachen mich jedoch die Ältesten der Gemeinde Muyogo hinsichtlich eines lang gehegten Wunsches an. Sie wollten eine Schule für drei benachbarte Dörfer, für die ihre Kirche zuständig war, errichten. Sie würden sich darum kümmern ein Grundstück von der Kirche zu bekommen. Mich baten sie darum, Geld für Baumaterial etc. zu beschaffen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits entwicklungspolitisch in der Diaspora in Deutschland aktiv und hatte auch schon für das Funding eines IT-Lehrer-Projekts in Uganda gesorgt. Daher schien mir das Schulprojekt machbar. Ich sagte also zu und begann mich mit Bauplänen und der Suche nach Geldgebern in Deutschland zu beschäftigen. Ich besuchte Seminare, wandte mich an Förderinstitutionen, stellte die Pläne vor, allerdings ohne Erfolg. Allmählich wurde mir klar, dass die Akquise von Geldern doch schwieriger werden würde, als ich es mir vorgestellt hatte.

Was waren denn Ablehnungsgründe der Fördergeber?

Einige begründeten die Ablehnung damit, dass das Bauen von Schulen über die Möglichkeiten einer Migrantenorganisation hinausgehe oder dass ein solches Projekt eine bilaterale Angelegenheit auf Regierungsebene sei, dass es etablierte Organisationen wie kirchliche Träger oder Entwicklungsorganisationen gäbe, die sich mit so etwas beschäftigen, und dass Finanzierungen für Migrantenorganisationen aus Gründen der Nachhaltigkeit etc. eher auf kurze Projektlaufzeiten begrenzt werden.

Frauen aus dem Dorf bereiten das Grundstück vor

Was hat Sie motiviert, trotz der vielen Absagen das Ziel dennoch zu verfolgen?

Mir war ab Mitte 2016 klar, dass ich meine Vorgehensweise überdenken musste. Ich setzte mir eine 2-Jahres-Frist. Um mich noch mehr zu motivieren, beantragte ich außerdem ein Sabbatjahr für 2019/2020, um vor Ort in Uganda zu sein und den Bau der Schule begleiten zu können. Darüber hinaus bat ich den Verein VKII-Ruhrgebiet e.V. um Unterstützung. Mit diesem Verein hatte unsere Organisation EDDA Africa bereits auf einigen Seminaren und Workshops zusammengearbeitet. Das gab mir die Zuversicht, dass wir gemeinsam auch Langzeit-Projekte durchführen könnten. Das Muyogo Village School Projekt für das ländliche Uganda war eines dieser Vorhaben. Bis Anfang 2019 hatten wir allerdings noch keine positive Antwort erhalten und die Zeit lief uns davon. Ich hatte keine Vorstellung davon, was ich nun mit meinem Sabbatjahr anfangen sollte, als es zeitlich immer enger wurde.

Aber dann ging es 2019 doch los. Wie hast du das Vorhaben am Ende finanziert bekommen?

Mit Hilfe von Bauingenieuren aus Uganda und Deutschland hatten wir ein Budget von 150.000 € für die komplette Errichtung der Schule, inklusive Möbel, aufgestellt. Als die Aussichten auf Finanzierung immer geringer wurden, mein Sabbatjahr aber immer näher rückte, teilten wir das Bauprojekt in drei Phasen auf und versuchten, nunmehr 50.000 € aufzutreiben. Ab Januar 2019 reduzierten wir die Summe auf 25.000 €. Eine Summe, die man in nicht allzu ferner Zeit erreichen könnte, die uns aber schon helfen würde anzufangen, während wir um weitere Finanzierung werben würden.

Als ich mich für mein Sabbatjahr Richtung Uganda verabschiedete waren gerade mal 3.000 € in Spenden zusammengekommen. Dort angekommen, organisierte ich zunächst ein Treffen mit der Gemeinde von Muyogo sowie dem Rat der Kirchenältesten. Ich war bereit, mit der kleinen Summe, die ich dabeihatte, zu beginnen, wenn ich auf deren volle Unterstützung zählen könnte. Meine Familie hatte große Bedenken, wie die Gemeinde reagieren könnte, wenn es mir nicht gelingen würde, mehr als diese 3.000 € zu beschaffen. Ich teilte diese Sorge auch, war aber bereit, es trotzdem zu versuchen.

Das Dorf wird unterstützt von Soldaten. Es geht voran!

Sowohl der Kirchen- als auch der Gemeinderatsführer, die nichts über meine finanziellen Grenzen wussten, halfen mir bei der Mobilisierung der Gemeinde. Wie es der Zufall wollte, war zum Leidwesen der Gemeinde kurz vorher eine Armeekaserne in der Nachbarschaft errichtet worden und es hatte bereits Beschwerden über das Fehlverhalten einiger Soldaten gegeben. Kirchenführer und Gemeinderat führten bereits Gespräche darüber, wie dieses Problem zu lösen wäre. Als wir dann den Start unserer Arbeit im Dorf ankündigten, hatten zwei Dorfältesten die Idee, die Soldaten einzubeziehen. Das würde ihnen die Gelegenheit geben, ihr schlechtes Image im Dorf zu korrigieren. Zur Überraschung willigte der Kommandant der Kaserne ein und schickte uns 50 kräftige Soldaten. Sie halfen, das Fundament auszuheben. Arbeiten, für die eigentlich 3 Wochen eingeplant waren, waren so in 3 Tagen erledigt. Wir sparten eine Menge Geld und Zeit. Außerdem nahmen die Spannungen merklich ab, nachdem man tagelang Seite an Seite gearbeitet und Mahlzeiten geteilt hatte, die die Gemeinde zur Verfügung stellte. Das war der erste Erfolg des Projekts!

Die Schule nimmt Form an.

Die Schule nimmt Form an.

Nun schickte ich erste Fotos und Videos an Freund*innen in Deutschland und der Schweiz. Sie waren so beeindruckt, dass weitere Spenden (bisher über 20.000 Euro!)  und viele ermutigende E-Mails kamen. Auch die Unterstützung von VKII war unbezahlbar. Der Verein richtete ein Spendenkonto für das Projekt ein und übernahm den gesamten finanziellen Verwaltungsaspekt. So wurde das Projekt Stück für Stück, bzw. Stein für Stein finanziert. Wir haben immer noch Phasen, in denen wir wegen fehlender Mittel nicht arbeiten können, aber jeder Cent, den wir bekommen, wird eingesetzt, um der Fertigstellung der Schule noch näher zu kommen!

Sie haben am Ende nicht nur eine Schule gebaut, sondern ein ganzes Dorf mit Wasser versorgt. Wie ging denn das?

Das Fundament wurde im Dezember 2019 fertiggestellt. Dann hatten wir eine längere Weihnachtspause, die weit ins neue Jahr reichte, da wir zu diesem Zeitpunkt über keine Mittel verfügten. Nur hier und da gelang es mir, einen Lastwagen mit Sand oder Ziegelsteinen zu organisieren. Also nutzte ich die Zeit, Institutionen zu besuchen, die für die Entwicklung ländlicher Regionen in Uganda zuständig sind. Dabei stieß ich auf Programme, von denen auch unser Projekt profitieren konnte, wie die Programme für Wasserversorgung und Elektrifizierung ländlicher Gebiete. Diese richten sich an Gemeinden, die bereit sind, selbstorganisiert Arbeitskräfte zu stellen. Ich informierte die Gemeinde über diese Möglichkeit, Wasser ins Dorf zu bekommen und organisierte ein Infotreffen mit den Beauftragten für Wasserversorgung. Dabei erfuhren wir, dass wir in Eigenleistung einen 8 km langen und 1 m tiefen Graben würden ausheben müssen. Die Regierung würde dann die Rohre stellen und den Anschluss an die Wasserversorgung. Einige hielten dies für eine nicht zu bewältigende Aufgabe. Doch zum Glück entschied die Mehrheit, dass dies die beste Möglichkeit sei, an fließendes Wasser zu kommen.

8 km lang und 1 m tief – die Dorfbewohner buddeln den Graben für die Wasserrohre

Da die Wasserleitung durch zwei Dörfer laufen würde, war auch der Mobilisierungsbedarf doppelt so groß. Aber auch hier leisteten Gemeinderats- und Kirchenführer ganze Arbeit. Und wieder gab es Unterstützung durch die Kaserne. Am 29. Januar begannen die Grabungsarbeiten, die schließlich am 18. März beendet wurden. Wenige Tage später begann der erste Covid-Lockdown, die Rohre konnten nicht geliefert werden. Im Mai jedoch erreichten uns die ersten Rohre und am 12. August wurde der erste Haushalt an fließendes Wasser angeschlossen! Das Wasserprojekt bewirkte eine enorme Veränderung in der Einstellung der Menschen. Es war nun zunehmende Aktivität bei Hausrenovierungen zu beobachten und auch die Haltung zu Gemeindearbeit und Entwicklung war viel aufgeschlossener und positiver. Das Wasserprojekt hat der Gemeinschaft bewiesen, was sie mit ihren eigenen Ressourcen erreichen können! Dermaßen ermutigt, haben sie nun ein kleines Mikrofinanzprojekt gestartet.

Ankunft der Wasserrohre

Wie geht es jetzt weiter, jetzt da du wieder in Köln bist?

Wir bauen noch weiter. Eines der besten Ergebnisse meines Sabbatjahres war, dass ich Zeit hatte und diese auch nutzen konnte, permanent am Projekt und dem Aufbau guter Beziehungen zu arbeiten. Wir haben eine Gemeindeorganisation ins Leben gerufen, die das Projekt (auch während meiner Abwesenheit) begleitet. Derselbe Ingenieur leitet die Bauarbeiten weiterhin und sendet mir Updates und Rechenschaftsberichte. Und ich kümmere mich weiterhin um das Funding! Wir brauchen immer noch Geld. Dringend.

Kannst du dir vorstellen, eine Schulpartnerschaft zwischen deiner Schule in Köln und der Muyogo Village School in die Wege zu leiten? Wäre das eine gute Idee?

Das wäre eine großartige Idee. Wir haben das sogar schon mit VKII diskutiert. Die Gemeinde ist bereit und freut sich darauf neue Freunde kennenzulernen. Jung wie Alt und nicht notwendigerweise mit einem Bildungshintergrund.

Was hast du aus diesem Jahr, aus dieser Erfahrung für dich persönlich gelernt?

Ich bin demütiger geworden. Ich erkenne, dass der Erfolg dieser Projekte weniger mein Handeln ist als vielmehr meine Anwesenheit am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Die Gemeinde war bereit, die Kirche war bereit, die Kaserne war bereit und ebenso waren meine Freund*innen bereit, etwas Gutes zu tun. Sie brauchten lediglich ein Vehikel, um ihre guten Absichten zu kanalisieren – und ich war gerade verfügbar. Ich bin dankbar! Auch für gelernte Lektionen, von denen es viele gibt. Ein Beispiel: am Anfang meldeten sich viele Freiwillige vor Ort, was mich freute. Doch dann sprangen immer mehr ab, während allerdings neue hinzukamen. Zunächst konnte ich mir das nicht erklären, verstand erst später, warum. Es wurde anfangs rumerzählt, dass ich über umfangreiche Geldmittel für den Bau verfügte. So empörten sich einige, dass ich Menschen aufforderte ohne Bezahlung zu arbeiten. Sie bezichtigten mich, Menschen für eigene Zwecke auszunutzen, sie zu fotografieren, um die Bilder nach Deutschland zu verkaufen und so noch mehr Geld zu verdienen.

Kinder posieren vor ihrer künftigen Schule.

Mir wurde klar einige haben gehofft, es würde finanziell etwas für sie rausspringen. Solche Leute gibt es leider überall. Aber die meisten verstanden das Konzept und die Vision. Und ich muss erwähnen: die Mehrheit derer, die aktiv dabeiblieben, waren Frauen.

Ich habe außerdem gelernt: „just do it“. Hätte ich gewartet, bis die Summe von 50 oder 100.000 Euro zusammengekommen wäre, stünde die Schule bis heute nicht. An dieser Stelle möchte ich all den Unterstützer*innen in Uganda, Deutschland und der Schweiz danken, die an das Projekt geglaubt haben.

Sie möchten spenden?
Projekt: Muyogo Village School
IBAN: DE10440501990912379230 / BIC: DORTDE33XXX / Sparkasse Dortmund)
Spendenquittung durch VKII e.V.

(ado/14.05.21)

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