Ab dem 18. Oktober 2012 wird eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Migration und Empowermentstrategien westafrikanischer Frauen“ in mehreren Städten NRWs stattfinden. Das Veranstaltungsformat, das unter kontinuierlicher Beteiligung von Frau Ulla Rothe (Bild links) zunächst im Rahmen mehrerer Fachforen-Treffen des Afrikanischen Dachverbands NRWs (ADV) sowie anschließend in Initiativkreisen im Allerweltshaus Köln entstand, stellt westafrikanische Frauen als Referentinnen in den Mittelpunkt. Die Fachstelle für Migration und Entwicklung, die sich ebenfalls an der Planung beteiligte, konnte eine Referentin vorab zum Thema interviewen. Frau Adjovi Boconvi (Bild Mitte) stammt aus Togo. Seit dem Jahr 2000 lebt sie in Deutschland. Nachdem sie sieben Jahre in einem Asylheim für Flüchtlingsfrauen im Sauerland auf engstem Raum verbracht hatte, lebt sie seit 2007 mit einer Unterbrechung in Dortmund. In Togo als Schneiderin tätig gewesen, arbeitet sie in Deutschland als Tagesmutter. Seit ungefähr zwei Jahren hat sie den unsicheren Asylstatus überwunden. Erst nach zehn Jahren konnte sie wieder ihr Herkunftsland besuchen. Frau Boconvi beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Migration und nahm beispielsweise 2011 an der Karavane von Bamako (Mali) nach Dakar (Senegal) teil, die auf Missstände in der internationalen Migrationspolitik aufmerksam machte.
Was war der Hauptgrund, dass Sie Ihr Heimatland verlassen haben?
Familiäre Gründe haben dazu geführt, dass ich meine Heimat verlassen habe. Da mich dies noch immer sehr bewegt, möchte ich nicht im Detail darüber reden. Ich kann aber sagen, dass ich aufgrund der patriarchalischen Strukturen Togo verließ. Mein Vater hat beispielsweise acht Ehefrauen und insgesamt 22 Kinder. Das war nicht unbedingt meine Vorstellung von einem Ehe- und Familienleben.
Wie fühlen Sie sich in Deutschland? Was entspricht Ihren Vorstellungen? Was ist anders?
Von Deutschland hatte ich das Bild eines demokratischen Landes und einer sozialen Gesellschaft – kurz: ein schönes Bild. Was teilweise passierte, seitdem ich da bin, hat damit aber wenig zu tun. Ein Beispiel dafür sind die zehn Jahre ständige Unsicherheit, die ich als Asylbewerberin erlebte. So gesehen kann ich auch sagen, dass das Bild von Deutschland ein trügerisches Bild ist. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass dies hier kein Leben ist. Das erzähle ich den Menschen in Togo auch ohne Beschönigungen. Es gibt viele, die in der Heimat nie zugeben würden, dass sie in Deutschland Probleme haben. Aber andererseits gibt es auch Menschen, die hier nichts anderes machen, als ihre Rückkehr vorzubereiten, weil sie nicht mehr in Deutschland bleiben wollen.
Was sind Ihrer Meinung nach geschlechtsspezifische Migrationsgründe, mit denen Frauen konfrontiert sind?
Wie gesagt, sind es oft die patriarchalischen Strukturen in Westafrika, die viele Frauen dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen. Für Afrika als Ganzes kann ich darüber keine Aussagen machen. Dabei beginnt für die Frauen, die der Dominanz der Männer und der Aussichtslosigkeit entfliehen wollen, oftmals ein Teufelskreis: Wenn eine Frau beispielsweise vor einer Zwangsverheiratung flieht, wird sie von der Familie verstoßen. Wenn es eine solche Frau nach Europa schafft und wieder abgeschoben wird, ist ein Leben in Armut so gut wie sicher. Was glauben Sie, wo diese Frauen hingehen werden? Sicher nicht zu ihrer Familie zurück. Oft bleibt ihnen dann nur noch die Prostitution.
Meine Sie, dass bildungspolitische oder entwicklungspolitische Projekte hier und in den Herkunftsregionen von in Deutschland lebenden AfrikanerInnen dazu beitragen können, dass geschlechtsspezifische Migrationsursachen geringer werden?
Von Männern dominierte Vereine afrikanischer MigrantInnen haben meistens andere Prioritäten als Genderfragen. Daher glaube ich, dass die organisierte afrikanische Diaspora in dieser Hinsicht nur begrenzte Einflussmöglichkeiten auf die Situation vor Ort hat. Außerdem kann das Problem der strukturellen Benachteiligung wie zum Beispiel die niedrige Zahl der Mädchen, die eine Schule besuchen können, nicht allein aus der Ferne behoben werden. Die Sensibilisierung muss vor allem vor Ort geschehen. Organisationen und Vereine allein können dies nicht schaffen. Sensibilisierung geschieht oftmals durch die Ideen und Wertevorstellungen, die die Summe der in die Heimat zurückkehrenden Individuen mitbringt. So können informelle Netzwerke von Frauen viel erreichen, gerade dort wo formelle Netzwerke oft an ihre Grenzen gelangen. Über persönliche Gespräche können so Ideen weitergetragen werden bis sie schließlich auch in abgelegenen Dörfern bekannt werden. Das Potential der afrikanischen Frauen – auch in Bezug auf die Verbreitung von Informationen – ist riesig: Man denke nur mal an die Macht der westafrikanischen Marktfrauen.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
In zehn Jahren sehe ich mich in Togo. Ich möchte dann wieder gerne als Schneiderin arbeiten. Zudem würde ich gerne eine Art Kindertagesstätte für Kinder von Frauen, die sehr viel arbeiten müssen, eröffnen. Der Platz in dieser Tagesstätte müsste nicht unbedingt in Geld bezahlt werden. Das, was man gerade hat – zum Beispiel Obst, Gartengemüse, Yams oder Mais – könnte auch als Zahlungsmittel dienen, wenn die Mütter arm sind.