#2 Die Genfer Flüchtlingskonvention – Aushöhlung eines Ideals

Das ursprüngliche Prinzip

Da die von fast allen Staaten ratifizierte Flüchtlingskonvention bis heute als Grundlage der weltweit praktizierten Migrations-, beziehungsweise Flüchtlingspolitik anzusehen ist, sollen zumindest die relevanten Textpassagen zunächst einmal in ihrem Wortlaut wiedergegeben werden. Zuvor soll allerdings der Begriff Flüchtling (als ein besonderer Migrantinnen- und Migrantentyp) von MigrantIn im Allgemeinen abgegrenzt werden:

„Flüchtlinge sind Menschen, die aufgrund von Verfolgung oder Krieg ihren angestammten Lebensraum unfreiwillig verlassen, um vorübergehend oder dauerhaft in einem anderen Gebiet Zuflucht zu suchen […]“.

In dem international verbindlichen Text von 1951 wird eine Person als Flüchtling angesehen, die

„[…] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will […]“.

Von zentraler Bedeutung ist hierfür auch die in Artikel 33 gesetzlich verankerte Zusicherung eines Zurückweisungsverbots (Non-Refoulement-Prinzip), in der sich die vertragsschließenden Staaten dazu verpflichtet haben, Flüchtlinge nicht zurückzuweisen, wenn sie einer der im vorherigen Abschnitt erwähnten Bedrohungen ausgesetzt werden könnten. Weitere Regelungen erweitern das Non-Refoulement-Prinzip auch auf Flüchtlinge, die in der engen Definition der Genfer Konvention nicht berücksichtigt werden.

 

Zunehmende Aushöhlung

Angesichts der sich ab den 1990er Jahren verändernden und zahlenmäßig steigenden Flüchtlingszahlen wurde die Konvention im Jahre beispielsweise 2002 durch Convention Plus ergänzt, in der unter anderem das Stellen von Asylanträgen über Botschaften in den Herkunftsländern forciert wurde. Darüber hinaus sollten die Herkunftsstaaten stärker an Programmen zur geregelten Ausreise beteiligt, die Arbeitsmigration geregelt und die Absicht der Rückführung von Flüchtlingen in ihre Heimat (bei entsprechender Sicherheitslage) betont werden.

Gerade die wohlhabenderen Staaten Europas wie Deutschland konnten sich im Zuge der Aushöhlung der Genfer Konvention eine „konfortable Position“ sichern, die nicht zuletzt mit der geografischen Position zusammenhängt: Die Staaten der EU, in denen Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten, sind in der Regel auch für ihr weiteres Schicksal, das oft mit einer Abschiebung oder sogar mit sogenannten push-back-Aktionen im Mittelmeer oder im Atlantik (Seeweg nach Europa über die Kanaren) besiegelt wird, verantwortlich. Damit wurde die Hauptverantwortung von mittel- und nordeuropäischen Staaten zur Bewältigung der zunehmenden Migration in Richtung EU-Gebiet ausgerechnet den ökonomisch weniger gut aufgestellten Mitgliedsstaaten im Süden überlassen. Auf weitere Aushöhlungen der Konvention wird im Rahmen dieses Artikels nicht eingegangen.

 

Weitere offiziell anerkannte Fluchtgründe

In Deutschland kam zu den in der Konvention anerkannten Fluchtgründen im Jahr 2005 nach Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes die Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen hinzu. Allerdings wurden geschlechtsspezifische Gründe auch vorher schon beachtet; etwa im Fall von drohender Beschneidung bei Frauen wurde unabhängig von der Konvention Asyl gewährt. Erst jüngst wurde die individuelle sexuelle Orientierung als bisher letzter offiziell anerkannter Fluchtgrund aufgenommen – wenngleich auch hier schon vorher unabhängig von der offiziellen Aufnahme als Fluchtgrund Asyl gewährt werden konnte.

 

(Vorliegender Text basiert auf einem Text aus: Serge Palasie; Migration in und über Westafrika – Theorien, Illusionen und Realitäten; Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2011.)

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