Neues „Cocoa Barometer“ zeigt: Massive Erhöhung der Einkommen nötig

Pressemitteilung

Bonn, 06. März 2015: Während die Wertschöpfungskette in der Schokoladenindustrie von immer weniger Großkonzernen dominiert wird, leben Westafrikas Kakaobäuerinnen und -bauern meist weiter in extremer Armut. Die derzeit laufenden Initiativen und Programme sind nicht ausreichend, um den Herausforderungen in den Anbauregionen gerecht zu werden. Ausgehend von den wichtigsten Schlussfolgerungen des neuen Cocoa Barometers 2015 fordern europäische Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften, die die Studie gemeinsam herausgeben, eine fundamentale Reform des Sektors.

“Trotz aller Bemühungen im Kakaosektor wird das Kernproblem nicht angegangen: Die extreme Armut der Kakaoanbauenden und ihre fehlende Stimme in den Debatten über Wege zu einem nachhaltigen Kakaosektor”, sagt Antonie Fountain, Co-Autor des Cocoa Barometers. Um die Zusammenhänge darzulegen, konzentriert sich das Cocoa Barometer auf eine Analyse der Verteilung der Wertschöpfung in der Lieferkette von Kakao und auf Daten zur aktuellen Einkommenssituation der westafrikanischen Kakaobauernfamilien.

Ein großer Teil der westafrikanischen KakaofarmerInnen lebt unterhalb der Armutsgrenze. „In der Elfenbeinküste müssten die Einkommen vieler Familien etwa vervierfacht werden, damit deren Tageseinkommen auf umgerechnet 2 US-Dollar pro Kopf angehoben wird und sie oberhalb der international definierten Armutsgrenze leben können“, so der zweite Autor der Studie, Friedel Hütz-Adams vom SÜDWIND-Institut.

Die niedrigen Einkommen führen zu inakzeptablen Arbeitsbedingungen bis hin zu Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit, haben aber auch viele andere Probleme entlang der Wertschöpfungskette zur Folge. Der Anbau von Kakao ist für viele Bäuerinnen und Bauern nicht mehr attraktiv und viele ihrer Kinder suchen andere Erwerbsquellen. Zugleich sind viele der derzeitigen ProduzentInnen bereits relativ alt und werden ihre Plantagen nicht mehr lange bewirtschaften können.

Einer der Gründe für die Verarmung der KakaofarmerInnen ist die unfaire Verteilung der Wertschöpfung und der Marktmacht. Fusionen und Übernahmen haben dazu geführt, dass wenige Großkonzerne bis zu 80 % der einzelnen Teile der Wertschöpfungskette kontrollieren. Schokoladenproduzenten (wie Nestlé, Mars, Ferrero und Mondelez), Kakaoverarbeiter (wie Barry Callebaut und Cargill) und Einzelhandelsunternehmen haben große Macht auf dem Markt, um ihre Interessen durchzusetzen. Rund 5,5 Mio. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind dagegen größtenteils unorganisiert und weitgehend machtlos.

Die meisten Nachhaltigkeitsbemühungen der Industrie konzentrieren sich auf eine Steigerung der Produktivität. Dies ist in vielen Fällen nicht ausreichend, um die Einkommenssituation nachhaltig zu verbessern. Dies wirft die Frage auf, ob höhere an die Bäuerinnen und Bauern ausgezahlte Kakaopreise nötig sind, um eine nachhaltige Kakaowirtschaft möglich zu machen.

Doch neben einer Produktivitätssteigerung und höheren Preisen sind weitere Maßnahmen notwendig, darunter eine Diversifizierung des Anbaus, Investitionen in die Infrastruktur der Anbaugebiete, Reformen im Landbesitzsystem und der Zugang der FarmerInnen zu Weiterbildungsmöglichkeiten und Informationen.

Seit der Veröffentlichung des ersten Cocoa Barometers im Jahr 2009 ist der Marktanteil von zertifizierter Schokolade von 2 % auf fast 16 % gestiegen. Die gängigen Label von Fairtrade, Utz Certified oder Rainforest Alliance/SAN sind bereits auf vielen Produkten zu sehen. Die meisten großen Unternehmen haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2020 ihre Schokolade vollständig aus zertifiziertem oder verifiziertem Kakao herzustellen (Ausnahmen sind Nestlé und Mondelez) Allerdings sind nicht nur Verbesserungen der Zertifizierungssysteme nötig, sondern deren gezielte Koppelung mit weiteren Maßnahmen von Unternehmen und Regierungen.

Um eine nachhaltigere Kakaowirtschaft aufzubauen, müssen alle Beteiligten der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Unternehmen, Handel, Regierungen, doch auch KonsumentInnen sollten ihre Verantwortung übernehmen, um die weitreichenden Probleme zu lösen. Fountain kommt zu der Schlussfolgerung: „Wenn sich der Kakaosektor nicht fundamental verändert, dann wird es in Zukunft keine Kakaobäuerinnen und Kakaobauern mehr geben.“

Empfehlungen:

  1. Es muss ein Modell entwickelt werden, wie existenzsichernde Einkommen von FarmerInnen berechnet und gewährleistet werden.
  2. Die Preissetzungsmechanismen müssen verändert werden, um den Preis, den die Bäuerinnen und Bauern erhalten, zu erhöhen.
  3. Die Branche muss sich von freiwilligen Verpflichtungen hin zu einer verpflichtenden Lösungsansatz des Sektors bewegen.

 

* Das Cocoa Barometer wird alle rund zwei Jahre veröffentlicht und gibt einen Überblick über bestehende Nachhaltigkeitsinitiativen. Herausgeber ist ein Netzwerk von europäischen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften. Diesem gehören folgende Organisationen an: FNV Mondiaal (NL), Hivos (NL), Solidaridad (NL) und das VOICE Netzwerk – Erklärung von Bern (CH), FNV (NL), Oxfam Novib (NL), Oxfam Wereldwinkels (BE), Stop the Traffik (UK), ABVV – FGTB HORVAL (BE) und das SÜDWIND-Institut (D).

 

Kontakt:

  • Friedel Hütz-Adams (:+49 157 728 555 06), SÜDWIND-Institut
  • Jules van Os (+31651573683 van.Os@oxfamnovib.nl) Press Officer bei Oxfam Novib
  • Bram Verkerke (+31629601233 Verkerke@solidaridad.nl) Press Officer bei Solidaridad

Die vollständige Version des Cocoa Barometers finden Sie hier Link.

 

Vera Schumacher

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