„Kein anderer Kontinent hat ein ähnlich politisch engagiertes Filmschaffen hervorgebracht wie Afrika“
Interview mit Karl Rössel von FilmInitiativ Köln e.V. zum Auftakt des größten deutschen Afrika-Filmfestivals in Köln
Seit 1992 veranstaltet FilmInitiativ Köln e.V. das Filmfestival „Jenseits von Europa – Filme aus Afrika“. Seitdem waren bei dem biennal präsentierten Festival und bei thematischen Filmreihen mehr als 500 Filme aus 40 afrikanischen Ländern in Köln zu sehen. Das Publikum hatte dabei die Gelegenheit, mehr als 100 Filmschaffende persönlich kennen zu lernen.
FilmInitiativ stellt Informationen zu all diesen Veranstaltungen, Filmen und Gästen über eine Datenbank auf der Internetseite www.filme-aus-afrika.de kostenlos zur Verfügung. Die 13. Ausgabe des Kölner Afrika Film Festivals findet vom 18. bis 28. September 2014 statt.
Sehr geehrter Herr Rössel, Filme können eine große Rolle spielen, wenn es um die Vermittlung von Vorstellungen geht, die wir z. B. von anderen Erdteilen oder Kulturen haben. Gerade westliche Filme des Mainstreams stellen Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft oftmals nur einseitig dar: Entweder ist die Darstellung eindeutig negativ – da spielen dann etwa Begriffe wie Rückständigkeit, krisengeschüttelt oder hilfsbedürftig eine Rolle – oder nur vermeintlich positiv – da spielen dann Begriffe wie Naturverbundenheit, emotional oder Körperlichkeit eine Rolle. Was tut FilmInitiativ Köln / Filme aus Afrika, um dem entgegenzuwirken?
In Zeiten der Globalisierung sind der Austausch und die Auseinandersetzung mit außer-europäischen Kulturen sowie mit MigrantInnen in der Diaspora und ihrer kulturellen Vielfalt hierzulande von zunehmender Bedeutung. Die Medienberichterstattung insbesondere über Afrika ist jedoch weiterhin meist oberflächlich und von Klischeebildern geprägt. Dies mit aktuellen und historischen Filmproduktionen, d.h. mit authentischen Bildern, Geschichten und Begegnungen mit Gästen aus afrikanischen Ländern in Kooperation mit hiesigen Communities zu ändern, ist das langfristig angelegte Ziel unserer Arbeit. Das Medium Film ist zur Vermittlung von Eindrücken aus dem Innenleben afrikanischer Gesellschaften besonders geeignet, da das afrikanische Kino durchweg von politisch und sozial engagierten RegisseurInnen geprägt wird, die faszinierende, (selbst-)kritische und differenzierte Einblicke in den Alltag, die Probleme und die Entwicklungsmöglichkeiten des Kontinents bieten. Kein anderer Kontinent hat ein ähnlich politisch engagiertes Filmschaffen hervorgebracht wie Afrika, weshalb das afrikanische Kino reichhaltiges, wenn auch bislang wenig bekanntes Material für die interkulturelle Bildungs- und Projektarbeit bietet. Allerdings findet es hierzulande längst nicht die Beachtung, die es verdient. Die Festivals und Filmreihen in Köln sowie die dadurch angeregten Nachspiele von Filmen aus Afrika in anderen Städten sollen dazu beitragen, dass sich dies ändert.
Worin sehen Sie den Grund, dass –trotz aller positiven Entwicklungen in den letzten Jahren – sich das oben erwähnte, undifferenzierte Afrikabild so hartnäckig hält?
Afrika hat hierzulande keine Lobby, weder in der Politik noch in der Kultur. Das gilt auch für das afrikanische Kino. Auf weltweit wahrgenommenen afrikanischen Filmfestivals wie dem FESPACO in Ouagadougou (Burkina Faso), das vor 40.000 ZuschauerInnen in einem Fußballstadion eröffnet wird, oder den JOURNÉES CINEMATOGRAPHIQUES DE CARTHAGE, dem ältesten Filmfestival des Kontinents in Tunis, trifft man kaum deutsche Festivalveranstalter, Filmverleiher oder Kinobetreiber. Das ist einer der Gründe für uns, ein auf Afrika spezialisiertes Festival zu organisieren und zu demonstrieren, wie variabel und reichhaltig das Filmschaffen trotz aller finanzieller und technischer Schwierigkeiten in vielen Ländern Afrikas ist.
In wenigen Tagen beginnt in Köln das 13. Afrika Film Festival „Jenseits von Europa“; damit blicken Sie mittlerweile auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück. Gibt es Highlights, aber auch Rückschläge, die Sie als besonders erwähnenswert empfinden?
Das Festival „Jenseits von Europa“ hat vor 22 Jahren in bescheidenem Rahmen und im kleinsten Kino von Köln begonnen. Kamen 1992 insgesamt 700 ZuschauerInnen in der gesamten Festivalwoche, so drängten sich inzwischen manchmal ebenso viele Filminteressierte an einem einzigen Tag. In den letzten beiden Jahren (2012/2013) erreichte FilmInitiativ mehr als 10.000 ZuschauerInnen, darunter 2000 SchülerInnen. „Jenseits von Europa“ ist heute das größte Afrika Film Festival in Deutschland und eines der bedeutendsten in Europa. Soweit zur Erfolgsgeschichte.
Die finanzielle Absicherung des Festivals ist hingegen nach wie vor prekär und provinziell. Das ist das größte Problem und eine ständige Belastung für die FestivalorganisatorInnen, weil es dadurch keinerlei Planungssicherheit gibt.
Hatte die Stadt Köln von 2012 bis 2014 erstmals eine dreijährige Strukturförderung für das Afrika Film Festival bewilligt, so soll diese für die Zeit von 2015 bis 2017 wieder um 5000 Euro jährlich gekürzt werden und anschließend möglicherweise ganz wegfallen.
Die Staatskanzlei des Landes NRW hat ihre Förderung von 2012 bis 2014 um 40 Prozent vermindert und eine Verlängerung ab 2015 ist derzeit ungewiss. Das NRW Kulturministerium wie die Film und Medien Stiftung NRW haben in diesem Jahr jegliche Unterstützung mit dem befremdlichen Argument verweigert, sie könnten keine „länderspezifischen Festivals“ fördern, als bestehe Afrika nicht aus mehr als 50 Ländern und als kämen die Festivalfilme nicht aus aller Welt.
Auch auf Bundesebene fällt die Förderung 2014 im Vergleich zum letzten Jahr um ein Drittel geringer aus. Eine Aufstockung ist beantragt und es besteht zumindest noch Hoffnung, dass diese auch bewilligt wird.
Wenn das Afrika Film Festival in der bestehenden Form und Qualität eine Zukunft haben soll, dann braucht es jedoch sichere mehrjährige Finanzierungszusagen ab 2015 von Stadt, Land und Bund.
Was erwartet die BesucherInnen beim diesjährigen Festival?
In diesem Jahr präsentieren wir 83 Filme aus 27 Ländern Afrikas sowie mehr als 30 Gäste zu Filmgesprächen, Workshops, Podiumsdiskussionen und Länderschwerpunkten wie Madagaskar und Ghana. Mit Dani Kouyaté aus Burkina Faso hat einer der bedeutendsten Filmregisseure Westafrikas die Schirmherrschaft des diesjährigen Festivals übernommen. Er wird in Köln auch seinen neuesten Spielfilm SOLEILS vorstellen, in dem ein alter Mann ein junges Mädchen, das sein Gedächtnis verloren hat, auf einer fiktiven Reise durch Raum und Zeit an Stätten der afrikanischen und europäischen Geschichte führt.
Eine Sektion am ersten Festivalwochenende trägt den Titel „Queer Africa“. Darin sind Filme gegen die Verfolgung von Homosexuellen aus Ländern wie Malawi, Südafrika, Kenia, Kamerun, Marokko und Tunesien zu sehen und RegisseurInnen wie AktivistInnen eingeladen, um „afrikanische Initiativen gegen Homophobie“ vorzustellen (darunter der schwule Imam Muhsin Hendricks und die lesbische Fotografin Zanele Muholi aus Südafrika sowie der erste offen homosexuelle marokkanische Spielfilmregisseur Abdallah Taïa und der algerische Aktivist Yahia Zaidi.
Zum zweiten Festivalwochenende sind – anlässlich des 50jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft Tunis-Köln – zwei Regisseure und zwei SchauspielerInnen aus Tunesien eingeladen.
Zum Begleitprogramm gehören zwei Ausstellungen (mit Porträtfotos afrikanischer Filmschaffender im Institut français und afrikanischen Cartoons in der Kölner Zentralbibliothek), eine Klubnacht (mit Live-Musik von WDR-Funkhaus Europa), eine Lesung mit Theodor Michael, der als schwarzer Deutscher die Nazizeit erlebte, einen Workshop zum Thema Interkultur, Kinder- und Schulvorführungen sowie vieles mehr. Das Festivalprogramm wurde in Zusammenarbeit mit 40 lokalen, überregionalen und internationalen Kooperationspartnern entwickelt und ist dreisprachig im Katalog sowie auf der Internetseite von FilmInitiativ nachzulesen.
Kontakt:
FilmInitiativ Köln e.V. – Filme aus Afrika
Heidemannstraße 76a
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Tel. 0049-(0)221-4696243
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