#9 Flucht und Migration vor dem Hintergrund des Klimawandels

Umweltbedingte Migration am Beispiel der zunehmenden Wüstenbildung im Sahelgebiet

Ob Fluchtgründe à la Genfer Konvention (mehr unter #2), gemäß der Definition von De-facto-Flüchtlingen (also etwa Bürgerkrieg; mehr unter #4) oder aber ökonomische Fluchtursachen (siehe dazu #8) – sie alle können durch den Klimawandel und weiterer Umweltdegradierungen zunehmen und tun dies auch. Damit ist umweltbedingte Migration nicht nur ein eigener Fluchtgrund, sondern gleichzeitig Multiplikator für andere Fluchtgründe.

Die durch den vor allem durch die industrialisierten Staaten verursachten Klimawandel beschleunigte und insbesondere die ärmsten Staaten empfindlich treffende Wüstenbildung (Desertifikation), die durch unregelmäßigere und tendenziell abnehmende Regenfälle zu immer ernsteren und längeren Dürren führen wird und langfristig viele Gebiete für die menschliche Nutzung (unter anderem Landwirtschaft, Viehhaltung und Fischerei) unbrauchbar macht, fördert die Abwanderung. Dadurch werden die im Sahel seit jeher mobilen Menschen verstärkt zur dauerhaften Migration oder gar zu einer verordneten Umsiedlung gezwungen. Frauen und Kinder sind davon ebenfalls in zunehmendem Maße betroffen. Die umweltbedingte Mobilität der Menschen, die bisher vor allem von temporärer Natur war – also maximal ein Jahr ( aber meist deutlich kürzer) – und sich zu einem Großteil während der jährlichen Trockenzeit innerhalb der Grenzen des jeweiligen Lands abspielte, weist immer häufiger einen staatenübergreifenden und dauerhaften Charakter auf.

Wenn man bedenkt, dass Westafrika nach Zentralafrika das höchste Bevölkerungswachstum weltweit aufweist und dort nahezu die Hälfte der Menschen in der Landwirtschaft tätig ist (vor allem auf subsistenzwirtschaftlicher Ebene – also zur Deckung des Eigenbedarfs), wird deutlich, dass dies gepaart mit den geschilderten, umweltbedingten Veränderungen zu einer Verschärfung von teilweise schon bestehenden Konflikten führen kann. Die sinkende Quantität und Qualität von lebenswichtigen, sowie die ungleichen Zugriffsmöglichkeiten verschiedener Gruppen auf Ressourcen wie vor allem Wasser, wird zweifelsohne sämtlichen Formen von Konflikten – ob nun ethnisch, nationalistisch oder religiös motiviert – einen neuen Nährboden geben.

Konflikte können in der Sahelzone zwischen der dort ansässigen Bevölkerung – etwa zwischen sesshaften Bauern und Nomaden, die um knapper werdende Anbau- beziehungsweise Weideflächen sowie um die dort allmählich versiegende Ressource Wasser konkurrieren – verschärft werden. In Gebieten, die an Bevölkerungsdichte zunehmen, wird sich dieser Konflikt vor allem zwischen Ansässigen und Zugewanderten abspielen. Solche Konflikte können beispielsweise dann ausbrechen, wenn ein in einer Region bereits besetzter Betätigungszweig Konkurrenz aus anderen Regionen bekommt: Wenn etwa viehhaltende Nomaden aufgrund umweltbedingter Verschlechterungen der Lebensbedingungen in der Sahelzone in für die Viehzucht besser geeignete Gebiete im Süden abwandern, können solche Auseinandersetzungen entstehen und gegebenenfalls eskalieren, wobei ethnische, nationalistische und religiöse Differenzen als Abgrenzungsmechanismen bewusst genutzt werden können.

Vielfältiger, aber im Prinzip auf dieselbe Weise, werden sich solche Konflikte in den ständig wachsenden Städten mehren. Dabei spielt unter anderem der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Ressourcen oder infrastrukturell erschlossenen Wohngebieten eine Rolle.

Diese durch den Klimawandel beschleunigte Migration macht die klimatisch begünstigten Regionen Westafrikas – und nicht Europa – zum Hauptaufnahmegebiet für die Migrantinnen und Migranten.

 

(Vorliegender Text basiert auf einem Text aus: Serge Palasie; Migration in und über Westafrika – Theorien, Illusionen und Realitäten; Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2011.)

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