Nicht nur die Medien festigen Klischees und Stereotype von Afrika, sondern häufig auch wir selbst – bspw. wenn wir nach Afrika reisen und davon berichten.
Ich selbst war noch nie in Afrika, aber ich habe nach meinem Abitur einen freiwilligen Friedensdienst in Chile absolviert. Auch ich hatte, wie viele andere Freiwilligendienstleistende, den Wunsch anderen Menschen zu helfen. Schon länger vor meiner Ausreise hatte ich mich mit dem südamerikanischen Land beschäftigt. Ich las über die Geschichte des Landes mit Salvador Allende, der 1970 gewählte marxistische Präsident des Landes; der Putsch durch Augusto Pinochet und die Zeit der Militärdiktatur sowie der Übergang zur Demokratie. Auch der immense wirtschaftliche Erfolg des schmalen Landes und die Bilder der Wolkenkratzer in Santiago de Chile waren mir bekannt. Dennoch habe ich dort vor allem auch nach Ausgefallenem gesucht. So hielt ich beispielsweise mit meiner Kamera fest, wie ein Mann auf einem Pferd durch die Kleinstadt ritt, in der ich lebte. In meinem Jahr dort, denke ich vier Mal so eine Szene gesehen zu haben. Ansonsten unterschieden sich die Fortbewegungsmittel, zu den in Deutschland üblichen nur durch Markennamen. In Chile fuhren mehr asiatische und US-amerikanische Autos auf den Straßen. Auch war der bunte Markt, auf dem wir Freiwilligen einkaufen gingen, ein beliebtes Motiv. Am kritischsten sind sicherlich Fotos, auf denen Kinder zu sehen sind, die im Dreck spielten. Armut wurde dadurch romantisiert, die Kinder zu Objekten stilisiert und stereotype Vorstellung von Chile oder südamerikanischen Ländern als „unterentwickelt“ gefestigt.
Andere Bilder, wie der bunte Markt, sind an sich sicherlich auch noch nicht so kritisch zu bewerten. Problematisch werden sie aber dann, wenn exotische Motive überproportional häufig auftauchen und Bilder, die nicht den Stereotypen entsprechen, unterrepräsentiert sind. Gerade durch Berichte und Fotos von der eigenen Reise, können dann auch Vorurteile in den Köpfen der Menschen gestärkt werden, denen man über seine Reise berichtet. So kann der Eindruck entstehen, in Chile würden noch viele Menschen mit Pferden durch die Städte reiten oder dass die Menschen nur auf Wochenmärkten einkaufen gehen (von Supermärkten in Chile habe ich keine Fotos gemacht).
Das Ziel sollte ein ausgewogenes Berichten sein. Es sollten keine Vorurteile bestärkt werden, aber auch eine Beschönigung, à la hier ist alles nur toll und super, ist meiner Meinung nach falsch. Überall gibt es Probleme. Diese Probleme, wenn man über sie berichtet, sollten dann aber ausführlich recherchiert sein. Vor dem Hintergrund der Kolonialzeit und weiter bestehender kolonialer Strukturen, sollte vor allem auch ein solcher Zusammenhang untersucht werden. Ebenso sollte man sich damit auseinandersetzen, ob es bereits lokale Gruppen gibt, die bereits versuchen dieses Problem zu lösen. Sonst entsteht schnell wieder der Eindruck, „die“ bekommen es selber nicht hin und brauchen die Hilfe von „uns“.
Erst nach meinem Freiwilligendienst habe ich die Broschüre „mit kolonialen Grüßen…“ von glokal e.V. kennen gelernt. Diese Broschüre betrachtet Berichte von Auslandsaufenthalten rassismuskritisch und sensibilisiert damit seine Leser/innen. Hätte ich sie damals gelesen, ich hätte anders berichtet und mich sicherlich in manchen Situationen anders verhalten. Ich würde sie jedem Freiwilligendienstleistenden, aber auch jedem Reisenden empfehlen, da man sich dadurch stark mit sich selber und der eigenen Position, eigenen Intentionen und eigenen Vorurteilen sowie der Wirkung des Geschriebenen bzw. der Fotos auf andere auseinandersetzt. Eine solche grundsätzliche Auseinandersetzung kann bereits viel bewegen, mehr jedenfalls als wenn man sich vornimmt, die Welt zu retten.
Hintergrund:
Zwischen verschiedenen Akteuren, die Freiwillige auf Dienste im Ausland vorbereiten, verlief eine Diskussion über koloniale Strukturen in der Freiwilligenvor- und -nachbereitung.
Serge Palasie hat sich auf Afrika-NRW.net zu dem Konflikt geäußert: http://www.diasporaNRW.net/?p=1875
Der letzte veröffentlichte Brief ist hier nachzulesen: http://www.glokal.org/antwort-vom-weltwarts-team-des-welthaus-bielefeld/