Themenmonat: „Positive Tendenzen sind in der Tat zu beobachten“ – Interview mit Césaire Beyel

Themenmonat-nr.1

 

Césaire Beyel, geboren in Kamerun, Diplom-Informatiker und zurzeit tätig als freiberuflicher IT-Spezialist in der Softwareentwicklung und IT-Beratung. Vorsitzender des Deutsch-Afrikanischen Zentrums DAZ e. V. in Bonn und amtierende Geschäftsführer des Afrikanischen Dachverbands ADV NRW e. V.

 

Césaire-Beyel-DAZ-rechts auf dem BildSehr geehrter Herr Césaire Beyel, dass es trotz vieler Anstrengungen nach wie vor ein weit verbreitetes und stark vereinfachtes Bild von Afrika bzw. Menschen afrikanischer Herkunft gibt, ist leider Fakt. Welche dieser Bilder – sei es in den Medien, sei es im ganz alltäglichen Leben – begegnen Ihnen häufig? Oder: Welche davon nehmen Sie besonders wahr?

Die Bilder von Afrika reichen vom Kontinent der Armut, Kontinent, dessen Menschen „im Busch“ leben, Kontinent in dem die Diktatoren ihre Völker unterdrücken, Kontinent in dem es zu viele Menschen gibt, die irgendwie ernährt werden müssen (von außen versteht sich), Kontinent mit vielen Kriegen und Krankheiten etc.

Zum Bild des Afrikaners/der Afrikanerin: er/sie versteht kein Deutsch, weswegen man ihn/sie automatisch auf Englisch ansprechen muss, er/sie kann (sehr) gut tanzen und „hat Rhythmus im Blut“, er kann trommeln, er/sie ist immer locker drauf und gut gelaunt, im Winter friert er/sie mehr als andere, er/sie kommt immer (zu) spät zu Verabredungen/Terminen …

Was mich besonders stört liegt nicht in der Kategorie der Klischees, die mir entgegen geschleudert werden, sondern die Autoren. Wenn ein Fremder mir gegenüber irgendein Vorurteil äußert, tendiere ich dazu, es zu ignorieren, oder dementsprechend darauf zu reagieren. Im Freundes- oder Bekanntenkreis oder wenn Arbeitskollegen einem mit einem vereinfachten Bild kommen, finde ich es schwieriger, damit umzugehen. Zum einen möchte man keinen „erziehen“ zum anderen riskiert man aber, wenn man nicht reagiert, das Vorurteil zu verstärken.

 

Worin sehen Sie persönlich die Ursachen, dass sich diese historisch gewachsenen Bilder so hartnäckig halten?

Als erste Ursache sehe ich die Bequemlichkeit (Faulenz) der Menschen, die sich nicht die Mühe machen wollen oder können und deshalb fertige, vereinfachte Bilder übernehmen ohne diese zu hinterfragen. Die nächste Ursache sehe ich bei Medienmachern und Politikern, die manchmal aus Ignoranz oder der oben erwähnten Bequemlichkeit, manchmal aber auch ganz gezielt die vereinfachten Bilder einsetzen, um gewisse Ziele bei einem breiten Publikum zu erreichen.

Eine weitere und auch sehr wichtige Quelle sind afrikanische Akteure, die diese Bilder manchmal unreflektiert übernehmen und weiter verbreiten.

Als einen nicht zu vernachlässigenden Punkt sehe ich auch die vielen Menschen und Organisationen an, die es eigentlich gut meinen, aber durch ihr Tun eher zu einer Verstärkung der vereinfachten Bilder beitragen.

 

Was würden Sie als Gegenmaßnahmen empfehlen? Welche davon kann jede/r in Angriff nehmen und welche müssen Ihrer Meinung nach von höheren Ebenen angegangen werden?

Wenn man mal vom Fall des gezielten Einsatzes durch Medien und Politik absieht, geschieht die Verwendung vereinfachter Bilder meines Erachtens hauptsächlich aus Ignoranz. Gegenmaßnahmen sollen also primär auf die „Erziehung“ (durch Aktionen, Initiativen, Projekte u. ä.) abzielen.

Die meisten Menschen würden den Satz „alle Menschen sind gleich“ von sich geben, um beim nächsten Satz irgendein grobes Vorurteil zu äußern. Jeder hat Vorurteile und jeder kann sich mal in einer Situation befinden, in der er ein Vorurteil äußert. Was jeder machen kann, ist sich zu hinterfragen und offen für andere Sichtweisen zu sein. Nur durch Lernen kann man sich verbessern.

Durch ihre Arbeit können die Organisationen der afrikanischen Diaspora gezielt dazu beitragen, dass sowohl die Menschen mit afrikanischem Hintergrund als auch die Mehrheitsbevölkerung einen vorurteilsfrei(er)en Blick auf Afrika und den Menschen aus Afrika bekommen. An einem solchen Projekt arbeiten wir, vom Deutsch-Afrikanischen Zentrum in Bonn gerade mit anderen afrikanischen Vereinen wie Neema, der Deutsch-Kamerunischen Gesellschaft und der Kongolesischen Union. An den Vorbereitungen des Projekts arbeiteten wir schon seit einigen Monaten und hatten am 12. Juli einen Auftaktworkshop dazu. Das Projekt trägt den Titel „EIN Afrika gibt es NICHT“ und zielt darauf ab, durch verschiedene Aktionen wie eine Postkartenaktion oder Ausstellung die Bevölkerung auf die Vielfältigkeit auf dem afrikanischen Kontinent aufmerksam zu machen. Dieses Projekt wird von der Stadt Bonn finanziell unterstützt.

Die Afrika-orientierten Organisationen und NGOs, ob mit oder ohne Beteiligung von Menschen afrikanischer Herkunft, können in ihrer Arbeit gezielt ein entzerrtes Bild präsentieren.

Die Verantwortlichen in Politik und Medien können zum einen Projekte initiieren, die genau in diese Richtung gehen, sie können zum anderen aber auch solche Initiativen unterstützen, die von solchen Organisationen wie unserer gestartet oder durchgeführt werden.

 

Gibt es für Sie trotz allem dennoch sichtbare Tendenzen in die richtige Richtung, etwa bezogen auf die letzten fünf Jahre?

Positive Tendenzen sind in der Tat zu beobachten: allein in der Region kann ich, was das Afrika-Bild und den Afrika-Bezug betrifft, solche Beispiele nennen wie die Städtefreundschaft Bonn-Cape-Coast, das Projekt der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Kooperation mit der Cape-Coast University im Bereich von Entrepreneurship, die Stadt Bonn die viel guten Willen gezeigt hat, nicht nur, indem sie unser aktuelles Projekt (und die Projekte vieler Migrantenorganisationen allgemein), sondern uns auch seit einigen Jahren eine Räumlichkeit für unsere Vereinsarbeit zur Verfügung stellt.

Ähnliche Tendenzen kann man auch auf Landes- und Bundesebene beobachten. Auf Bundesebene möchte ich dazu beispielsweise die Initiative (und die entsprechende Stiftung) Partnerschaft mit Afrika, die sich genau diesem Ziel eines vorurteilsfreien Bildes Afrikas sowie eines Dialogs auf Augenhöhe verschrieben hat.

Das Ziel ist nicht mit einer Aktion oder einem Projekt erreicht, sondern es gehört eine stetige Arbeit dazu. Daran arbeiten müssen ständig alle Beteiligten sowohl die afrikanischen Migrantenorganisationen als auch Politik, Medien, Institutionen und Bildungseinrichtungen.

Wozu ich ehrlicherweise keine Angaben mache, ist, inwiefern positive Tendenzen in der allgemeinen Bevölkerung zu beobachten sind. So eine Beobachtung kann ich nicht machen. Ich kann aber hoffen, dass dadurch, dass sich immer mehr Menschen und Organisationen mit der Frage auseinandersetzen, dies nach einer gewissen Zeit dementsprechend auch bei der Bevölkerung ankommt.

 

In welcher Form engagiert sich DAZ, um diesem verbreiteten Afrikabild bzw. dem Bild von Menschen afrikanischer Herkunft entgegenzuwirken? Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Ein richtiges Bild Afrikas und der afrikanischen Menschen, einen Dialog und eine Partnerschaft auf Augenhöhe anzustreben sind in der Satzung des DAZ festgeschrieben und unsere Arbeit orientiert sich auch danach. Nicht nur unser aktuelles Projekt „EIN Afrika gibt es nicht“ sondern auch unsere anderen Projekte und Aktivitäten dienen dazu. Besonders zu nennen ist in diesem Zusammenhang unsere Reihe „Afrikanische Aspekte“ (früher „Afrikanische Länderporträts“), die wir in Kooperation mit der VHS Bonn seit nun 8 Jahren erfolgreich realisieren und bei der es darum geht, das Bonner Publikum durch Vorträge von Experten über einige Aspekte aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu informieren. Dabei legen wir einen besonderen Wert darauf, dass nicht die üblichen Klischeebilder vermittelt werden.

 

E-Mail: info@dazbonn.de

Homepage: www.dazbonn.de

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