Ein Blick in die Geschichte des NRW-Partnerlands Ghana: ALUTA

© Peter Hammer Verlag

Landesverrat! Mit einer Anhörung, in der eine junge Studentin beschuldigt wird, dieses schwere Verbrechen begangen zu haben, beginnt „Aluta“. Danach wird die Geschichte rückwarts aufgerollt – eine Geschichte, die von einem gerne verschwiegenen Kapitel in der Geschichte Ghanas erzählt.

Es geht um die Zeit vor und nach dem Putsch von 1981, mit dem Jerry J. Rawlings die Macht an sich riss. Die in Kanada lebende Autorin Adwoa Badoe erzählt aus der Perspektive ihrer 19-jährigen Protagonistin Charlotte. Sie erzählt von einer Zeit  der zunehmenden Entdemokratisierung und Unterdrückung und wie diese Zeit nicht nur an den Universitäten Ghanas sondern im ganzen Land erlebt wurde. Als Revolution für die Massen deklariert, hat Jerry Rawlings  eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt und mit einer Diktatur ersetzt, die durch Gewalt, Enteignungen und Einschüchterungsmaßnahmen ein Land zum Schweigen brachte.  Regimekritiker verschwanden spurlos, Richter wurden ermordet. Es waren in erster Linie die Studenten, die damals ihre Stimmen gegen Jerry Rawlings und seine Machenschaften erhoben und auf offener Straße demonstrierten. Doch als Antwort darauf ließ der Diktator kurzerhand die Universitäten schließen. Vor diesem Hintergrund spielt Charlottes Geschichte.

Charlotte ist zu Beginn eine völlig unpolitische Person, die sich auf ihr neues Leben als Studentin an der Universität in Kumasi freut. Weit weg vom elterlichen Einfluss geht es ihr auf dem Campus eher um Partys als um Politik.

Neugierig und lebenshungrig, hübsch und intelligent, braucht Charlotte nicht lange, um sich an der Uni gut einzuleben. Einige ihrer Kommilitonen engagieren sich in der Studentenvertretung, etwas, was Charlotte eher langweilig findet.  Als ein Dozent sie jedoch dazu ermutigt, auch aktiv zu werden, geht Charlotte zu ein paar Treffen. Nach einem Ereignis, dass das ganze Land erschüttert, beginnt auch Charlotte die politischen Verhältnisse im Land zu hinterfragen.  Sie schließt sich der Studentenorganisation an ihrer Uni an und hilft einen landesweiten Protestmarsch der Studenten zu organisieren. Die Geschichte wirkt deshalb so authentisch, weil Charlottes Engagement naiv ist und sie nicht aus reiner Überzeugung mitmacht. Sie ist eher dabei,  weil ihr einer der Studentenführer gefällt, und weil dem Protest auch ein Hauch von Abenteuer anhaftet.   So schlimm findet sie die Lage (noch) nicht und außerdem: was können Studenten schon daran ändern? Doch langsam erkennt die Protagonistin, und mit ihr der/die Leser*in, dass sich die Stimmung im Land ändert, dass Menschen in Angst leben, dass Rawlings einen Überwachungsstaat etabliert und Ghana den demokratischen Weg verlässt. Als sich Charlotte dann dazu überreden lässt, für ein studentisches Amt zu kandidieren, ist ihr Schicksal besiegelt. Eine Regierung, die keinerlei Transparenz zeigt und keinerlei Kritik duldet, kann auch keine denkenden Menschen ertragen. So versteht man auch, warum J.J. Rawlings damals alle Universitäten schließen und Jagd auf die Studentenführer machen ließ. Universitäten sind Institutionen, die das Hinterfragen von Zusammenhängen lehren. Sie sind Orte, an denen gelehrt wird Beiträge zur Stabilität und Entwicklung der Gesellschaft zu leisten. Wer eine andere Agenda verfolgt, sieht sich durch Universitäten bedroht.

Die Autorin Adwoa Badoe © Fule Badoe

Wer Ghana nicht kennt oder zu der Zeit nicht kannte, wird die Geschichte für unrealistisch oder übertrieben halten, gilt Ghana doch oft als „Musterländle“ Westafrikas. Doch auch wenn Charlotte eine fiktive Figur ist (Ist sie das? Oder steckt Autobiographisches in diesem Roman?) hat sich vieles genau so oder so ähnlich zugetragen. Die jüngere Generation in Ghana hat diese Zeit nicht erlebt, von der älteren Generation wollen viele lieber vergessen, und hier im globalen Norden wurde damals kaum über die Situation in Ghana berichtet. Eher galt J.J. Rawlings vielen als Erneuerer und es wurde sehr unkritisch über ihn berichtet. Hinter die Kulissen wollte der Westen lieber nicht blicken. In „Aluta“ zeichnet Adwoa Badoe ein realistisches Porträt der „Rawlings Jahre“ und schreibt zugleich gegen das Vergessen an. Wenn es nach mir ginge wäre der Roman Pflichtlektüre an Ghanas Schulen. Aber auch für alle, die in der Ghana-NRW-Partnerschaft aktiv sind, schadet es nicht zu erfahren, wie es damals in Ghana war. Vor dem Hintergrund ist manches im heutigen Ghana besser zu verstehen. (ado)

 

Aluta: Adwoa Badoe, 224 Seiten, Peter Hammer Verlag,
ISBN 978-3-7795-0587-0, 24€

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